Künstlerische Interventionen im Musterhauspark Haid.
Am 20. August 2010 lud das KünstlerInnenkollektiv KOMPOTT zur Vernissage in vier Fertigteilhäuser inmitten des Musterhausparks Haid. Zum Ausstellungsplan als PDF.
Der Traum von den eigenen vier Wänden scheint heute präsenter denn je. Während die Generation der 1960er und 70er Jahre für eine Loslösung der klassischen Vorstellungen von Leben und Familie gekämpft hat, scheinen die jüngeren diesen Kampf bereits vergessen zu haben. Jugendwertestudien konstatieren eine Rückkehr zu wertkonservativen Lebensarten, man sehnt sich wieder nach der Einfamilienhaus-Idylle, ein klassisches Familienbild ist wieder zum erwünschten Ideal geworden.
Als leistbare Alternative zum individuell zugeschnittenen Architektenhaus sollen Fertigteilhäuser diesen Traum in Erfüllung bringen helfen. Ob rustikal-traditionell oder modern-feudal, im Musterhauspark steht für jede denkbare Wohnvorstellung eine voll möblierte Lösung parat, die sich als gangbarer Mittelweg eines konfektionierten Individualismus präsentiert. Inmitten dieser inszenierten Wohnlandschaft prallen Vorstellungen und Ästhetiken von individuellem Glück aufeinander, sie bietet Projektionsfläche für unterschiedlichste persönliche Lebensutopien.
Die KünstlerInnengruppe setzt sich in vier Modellhäusern mit den Fragen nach der Konstruktion von Lebensentwürfen, nach Rollenbildern und Gesellschaftskonzepten direkt am Schauplatz ihrer kommerziellen Verwertung auseinander. Die Arbeiten werden in den von den Firmen Genböck, Griffner, Rubner und Veritas zur Verfügung gestellten Häusern entwickelt und ausgestellt.
Bereits seit 2006 bespielt das Kollektiv leerstehende Räumlichkeiten, um ungenützte Häuser temporär wiederzubeleben und Perspektiven für Zwischen- und Weiternutzungen aufzuzeigen. Während die drei vorangegangenen Projekte der Gruppe in Linz und Brüssel stets Gebäude zum Thema hatten, deren eigene Vergangenheit stark in die Inhalte der Arbeiten einfloss, bieten die Modellhäuser nun erstmals Gelegenheit, die Denkmöglichkeiten ihrer Nutzung auf vielfältige Weise zu erweitern. Eine Zusammenfassung der Arbeit des Kollektivs wird derzeit in der „Leerraumzentrale“ des Architekturforums Oberösterreich im Rahmen der Ausstellung „Reclaiming Space – Temporäre Zwischennutzungen“ gezeigt.
Neben Fotografien sind Video- und Soundarbeiten sowie Installationen der sechs KünstlerInnen Ulrich Fohler, Thomas Kluckner, Kristina Kornmüller, Ingo Leindecker, Petra Moser und Ulrike Seelmann zu sehen. Begleitet wird die Vernissage von der Performance „Willentlich von Jemand“. Eröffnende Worte spricht Mag. Christoph Weidinger, Vorsitzender des Architekturforums Oberösterreich.
Ein Shuttle-Bus bringt die BesucherInnen um 17 Uhr kostenlos vom Infopoint am Urfahraner Jahrmarktgelände nach Haid und wieder zurück.
Opening: August 20 2010, 6pm
Opening hours: August 20 – August 27, 10am – 6pm
Location: Musterhauspark Haid (map), Ikea-Platz 9, 4053 Haid
Involved artists Ulrich Fohler, Thomas Kluckner, Kristina Kornmüller, Ingo Leindecker, Petra Moser, Ulrike Seelmann and guest artists
Künstlerische Arbeiten
Willentlich von jemand
Performance
Stephan Blumenschein, Theresa Gindlstrasser
Das Fertigteilhaus, der Wunsch und das Versprechen nach Individualität. Wohn- und Lebensentwürfe, Kunst und Kreativität, das schaffende Subjekt. Das Genie, dass nur aus sich schöpft, seine ureigenste Sprache spricht – losgelöst von Tradition und Geschichte. In 7 Szenen dreht man sich um diesen Ausgangspunkt und in ihn hinein.
på fyndplats
Video, Fundstücke. Dauer: 5 Min.
Ulrich Fohler
Bei einer Ausgrabung im ehemaligen Musterhauspark Haid (Haidpark), wurden einige Gegenstände zu Tage gebracht. Befreit von den Erd- und Schmutzschichten stellte sich heraus, die Fundstücke wirken unbenutzt, fast wie neu. Die fehlende Patina, also das fehlen jeglicher Spuren ihrer Benutzung, ermöglicht den Objekten sich in diesem Musterhaus erneut einzufügen.
Art. 43. 7493 PIN
24 Bonsaibäumchen, Kunststoff, 20/25cm
Thomas Kluckner
Einfach und unkompliziert ist die Handhabung von 24 identischen und künstlich hergestellten Bonsaibäumchen. Diese wurden in ein bestehendes Regalsystem mit 24 Einheiten integriert. So hat jedes Bäumchen seinen Platz und alles ist ordentlich.
Ein Märchen
Performance, Soundinstallation
Kristina Kornmüller
Märchen verbergen oft Wünsche und Werte einer utopisch ideal funktionierenden Gemeinschaft und diese werden den Kindern von klein auf vermittelt. Frommheit, Gerechtigkeit, gute Menschen werden belohnt, böse bestraft, …sind einige der Ideen, die in den gesammelten Märchen der Gebrüder Grimm formuliert werden. Es sind gesellschaftliche Vorstellungen eines Ideals, die wie ein Fertigteilhaus vorkonstruiert sind. Zur Erö nung der Ausstellung lesen drei Vortragende je ein Märchen der Gebrüder Grimm in den Kinderzimmern der vier Fertigteilhäuser. Eine Radioaktivistin wird ihre selbstverfassten Geschichten vortragen. Während der Ausstellungszeit sind die gelesenen Texte in den Kinderzimmer hörbar.
Herzlichsten Dank an: Irene Hafner, Ewald Hafner, Lorli Jisa, Waltraud Starck und Margit Söllradl
regime
Video, Dauer: ca. 5 Min.
Ingo Leindecker
Es sind Abfolgen alltäglicher, beiläufiger Handlungen zu sehen, die unseren Wohnalltag begleiten. „regime“ spürt den versteckten, normierenden Mechanismen nach, die tief in unser Leben vordringen und fragt nach ihrer Ausformung in den determinierten Gesten unseres Alltags.
under construction
Animation, JAVA/Processing, Dauer: ca. 20 Min.
Ingo Leindecker
„under construction“ ist eine formale Annäherung an das Körper, Raum und Bedeutung gebende Potential der geraden Linie als fundamentalstes Gestaltungsmittel. Jede der zwanzig einminütigen Sequenzen generiert sich aus einigen Zeilen Programmcode, wobei jedes Einzelbild jeweils eine Linie zeigt, die in Aneinanderreihung als Animation erscheint. Die Eigenschaft des Strichs variiert jeweils in Position, Länge und Farbe.
Vakuum
Fotografie, C-Print, Diasec 80/120 cm
Petra Moser
Der Wunsch vom Eigenheim im Allgemeinen steht im Mittelpunkt der Fotoarbeit „Vakuum“. Der Höhepunkt, das erstrebenswerte Ziel, im Leben eines durchschnittlichen mitteleuropäischen Menschen ist wohl der Besitz eines Eigenheimes. Ob dies die ersehnte Freiheit und Unabhängigkeit erfüllen kann? Die Frage nach dem Zwiespalt zwischen dem großen Traum und dem realen Schaum wird aufgeworfen und bleibt unbeantwortet.
Danke an die Performerin Doris Jungbauer.
Überfluss
Rauminstallation, Plastikplanen
Ulrike Seelmann
Das Bad als Ort (klinischer) häuslicher Sauberkeit, an dem wir uns täglich mit einer der kostbarsten Ressourcen umgeben und diese bis zur Erschöpfung strapazieren. Wider Erwarten kehrt sich hier alles um: Es kommt nicht zur visuellen Erschöpfung der Wasser-Ressource, sondern zum wortwörtlichen Überfluss, einem Wasserschwall, der sich ins Stiegenhaus ergießt.
Fotos